Jugendherberge Gemünd
Interview Rezeptionsleitung

 

16. August 2022

Im Jahr 2018 hat Lene Hähnel ihre Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit in der Jugendherberge Hellenthal erfolgreich abgeschlossen.

Im Anschluss daran sammelte die 25-jährige ein Jahr lang an der Rezeption der Jugendherberge Blankenheim Erfahrungen, bevor sie am 1. Oktober 2019 ihre neue Stelle als Rezeptionsleiterin der Jugendherberge Gemünd Vogelsang antrat.

Seit der Eröffnung Mitte Juni 2020 konnte das Haus in Summe bisher nur 7 Monate lang seine Qualitäten unter Beweis stellen und Gäste empfangen. Grund dafür waren coronabedingte Schließungen, sowie gewaltige Schäden durch das Jahrhunderthochwasser 2021.

Nach turbulenten Jahren mit Einschränkungen durch Corona und Jahrhunderthochwasser freut sich Lene Hähnel auf ganze „normale“ Arbeitstage als Rezeptionsleiterin der Jugendherberge Gemünd Vogelsang.

Wie kam es dazu, dass Sie Ihre Ausbildung in der Jugendherberge Hellenthal begonnen haben?

Ich komme gebürtig aus der Eifel und habe vor meiner Ausbildung in der Touristeninformation Blankenheim ein Praktikum gemacht. Dabei habe ich zum ersten Mal einen Einblick in die Tourismusbranche bekommen. Die Leiterin des Servicecenters war zufällig eine ehemalige Auszubildende der Jugendherberge Hellenthal. Sie hatte ebenso wie ich später bei Herrn Rasky „gelernt“ und mich für die Jugendherbergswelt begeistert. Der Funke ist sozusagen übergesprungen. Just als ich 2015 mit der Schule fertig war, wurde in der JH Hellenthal eine Ausbildungsstelle frei, auf die ich mich beworben und die ich auch bekommen habe. Das ist jetzt sieben Jahren her. Inzwischen habe ich verschiedene Jugendherbergen kennengelernt und bin stolz heute als Rezeptionsleitung in einer der modernsten und profiliertesten Jugendherberge Deutschlands zu arbeiten.

Was macht die Arbeit in einer Jugendherberge so besonders?

Die Arbeitsatmosphäre ist sehr entspannt. Wir arbeiten in einem kleinen Team von ca. 20 Festangestellten. Das ist eine überschaubare Teamgröße, in der Wertschätzung und Zusammengehörigkeit gelebt werden. Wir kennen uns alle gut und helfen uns auch in den Abteilungen gegenseitig aus. Wenn ich in der Küche z.B. mal gebraucht werde, dann gehe ich gerne zur Hand. Denn jeder hier weiß, wie wichtig der Job des anderen ist und dass wir nur gemeinsam unseren hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden können. Die gute Stimmung und das Gemeinschafsgefühl im Team übertragen sich natürlich auch auf unsere Gäste.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Aufgabenbereich als Rezeptionsleiterin?

Ich freue mich über die Verantwortung, den Gestaltungsspielraum und die Abwechslung. An der Rezeption betreuen wir den Gast von der Anreise bis zur Abreise und natürlich auch schon vorher. Wir planen z.B. mit der Musikgruppe den Probenaufenthalt oder treffen Vorbereitungen für die Tagungsgruppe. Wir pflegen einen ganz engen Gästekontakt per Mail, Telefon und natürlich auch persönlich vor Ort. Immer versuchen wir allen Wünschen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Gästegruppen gerecht zu werden. Von der Busbuchung über die Familienfreizeit bis hin zur Eventplanungen ist alles dabei. Dazu kommen weitere Aufgaben aus der Buchhaltung sowie die Erstellung von Dienstplänen. Bevor ich als Rezeptionsleiterin angefangen habe, habe ich in viele unterschiedliche Abteilungen reingeschnuppert, Arbeitsabläufe kennengelernt. Diese Erfahrungen helfen mir heute das Große und Ganze im Blick zu haben. Heute erkenne ich schnell, wo Prozesse vielleicht verbessert werden können.

Was macht Ihre Aufgabe, bezogen auf die exponierte Lage der Jugendherberge im Nationalpark Eifel, so besonders?

Das Haus ist ganz neu, komfortabel, hell und transparent. Es birgt ganz viel Potenzial und erfüllt alle Anforderungen einer zeitgemäßen Beherbergung. Tagungs- und Musikgruppen können gleichzeitig ihrer Arbeit nachgehen, ohne sich zu stören. Die einen tagen in aller Ruhe in der 3. Etage, während die Musikgruppe in der 1. Etage für einen Auftritt probt. Das geht! Und hier mitten in der Natur, im Nationalpark geht das besonders gut. In den Pausen einfach mal im Wald, im Grüne durchatmen und Energie tanken, das wird gerne von Arbeitsgruppen wahrgenommen. Familien dagegen schätzen den Freizeitwert der Region mit ihren Wander- und Radrouten, dem Rurstausee, dem Freibad und den historischen Städtchen drum herum. Für all das haben wir viele Tipps parat und unterstützen unsere Gäste bei der Gestaltung ihres Aufenthalts. Zudem machen wir auch ganz viel Bildungsarbeit. So bieten wir eine Vielfalt von naturpädagogischen Programmen an, die gern von Schulklassen gebucht werden. Und durch die Nähe zu Vogelsang IP, einer ehemaligen NS-Ordensburg, haben wir auch viele bildungspolitische Angebote im Portfolio. Die exponierte Lage des Hauses im Nationalpark und die komfortable Ausstattung machen die Jugendherberge zu einer ganz besonderen Location. Ich sage das aus Überzeugung, auch wenn es sich vielleicht ein wenig nach Werbung für unseren Standort anhört.

Sie haben bereits verschiedene Jugendherbergen im Rheinland kennengelernt.   Ihre Ausbildung haben Sie in einem traditionellen, bodenständigen Haus gemacht. Gemünd Vogelsang dagegen ist top modern und komfortabel. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit heute von Ihren Aufgaben in Hellenthal?

Grundsätzlich gibt es ganz viele Übereinstimmung, lediglich die Schwerpunkte der Arbeitsaufgaben sind andere. Sie sagen es ganz richtig: Das Haus in Hellenthal ist insgesamt sehr traditionell. Es ist in einem historischen Fachwerkhaus untergebracht, das Ambiente ist entsprechend robust aber auch gemütlich und authentisch. Wegen des Hochseilgartens und der vielen erlebnispädagogischen Programme sind dort vor allem Schulklassen und Outdoorgruppen zu Gast, die genau das vorfinden, was sie für ihre Gruppenaktivitäten brauchen. Moderne Ausstattung hat da nicht oberste Priorität. In Gemünd haben wir mehr Familien und Tagungsgruppen, also Gästegruppen, die in der Regel ein komfortableres Umfeld für ihren Aufenthalt suchen. Tagungsgruppen brauchen beispielsweise große Räume, Technik, eine ruhige Arbeitsatmosphäre und gewisse Qualitätsstandards, die wir hier garantieren können. Aber eines noch: Wir hatten darüber gesprochen, dass der Kontakt und Austausch mit den Gästen in allen Jugendherbergen sehr, sehr eng ist. Vermutlich ist er in der JH Hellenthal ganz besonders intensiv, einfach, weil das Mitarbeiterteam kleiner und die einzelnen Kollegen noch tiefer mit den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern vertraut sind. Ich sage immer, als Mitarbeitende in einer Jugendherberge ist jede und jeder auch ein Stück weit Allrounder, mal mehr mal weniger.

Sie arbeiten eng an der Seite von Herrn Rasky, dem Herbergsleiter. Wie war es für Sie, die Eröffnung einer komplett neuen Jugendherberge mit zu begleiten? Welche ganz neuen Erfahrungen haben Sie machen können, welche Herausforderungen mussten Sie meistern?

Das war und ist immer noch sehr spannend. Ich habe hier angefangen zu arbeiten, bevor es eine funktionierende Jugendherberge gab. Die war nämlich noch in Bau. Ich durfte den Neubau des Hauses begleiten, habe gesehen, wie er so langsam Gestalt annahm, der Innenausbau Fortschritte machte, bis schließlich die Möbel reingetragen wurden, die Außenanlagen angelegt wurden. Herr Rasky und ich haben in der Bauphase von der Jugendherberge Hellenthal aus gearbeitet, ein neues Kollegenteam zusammengestellt, Arbeitspläne gemacht, Aufgaben verteilt. Ab Januar 2020 haben wir erste Personalgespräche geführt. Ich konnte dabei sein und habe nochmal viel dazulernt. Bis dann im März 2020 Corona alles zum Stillstand brachte.

Stichwort „Corona“. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie für Sie persönlich und für das neue Haus?

Als wir im März 2020 alle in den 1. Lockdown gingen, waren die Mitarbeitenden akquiriert und hoch motiviert mit dem Haus an den Start zu gehen. Daraus wurde nichts, aber keiner von ihnen ist damals abgesprungen. Dass der Lockdown allerdings so lange dauern würde, damit hat wohl niemand gerechnet. Während der Zeit haben wir uns regelmäßig mit Infos und Neuigkeiten auf dem Laufenden gehalten. Und trotzdem war die persönliche Situation für jeden einzelnen schwierig. Man saß untätig zu Hause, sozusagen ausgebremst. Hinzu kam die finanzielle Einschränkung durch die Kurzarbeit. Erst zu den NRW Sommerferien haben wir dann endlich den Betrieb eröffnet. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Die Mitarbeitenden wurden aus der Kurzarbeit geholt und haben vom ersten Tag an alles gegeben. Die Einarbeitungsphase war für alle sicher anstrengend, sie hat das Team aber auch enorm zusammengeschweißt. Dann kam der 2. Lockdown. Da haben wir dann viele Mitarbeitende verloren, die sich anderweitig orientiert haben. Verständlich.

Als Corona endlich überwunden schien, wurde die Jugendherberge Gemünd Vogelsang von der Flutkatastrophe heimgesucht. Das nächste unvorhersehbare Ereignis.

Im Mai 2021 durften wir endlich wieder Gäste begrüßen. Zwei Monate später setzte das Jahrhunderthochwasser ein und das Haus war nicht wiederzuerkennen. Wir stellten wieder alles in den Krisenmodus um. Alle haben, wenn sie persönlich nicht betroffen waren, entweder bei Verwandten und Freunden oder in der Jugendherberge geholfen und mit angepackt. Trotz der Katastrophe begegnete einem die Solidarität überall. Auch die benachbarten Jugendherbergen in der Eifel sind stark zusammengerückt. Die Kollegen haben unterstützt, wo es nur ging, auch mit Personal ausgeholfen, da wo es nötig war. Der Kontakt untereinander hat sich stark intensiviert und das ist auch heute immer noch so. Ich persönlich habe in der Zeit von der Jugendherberge Blankenheim aus weitergearbeitet, denn wieder mussten Umbuchungen und Ausbuchungen vorgenommen werden. Es hat ein Jahr gedauert, bis wir den Regelbetrieb aufnehmen konnten. Damit hatte wieder einmal niemand gerechnet.

Jetzt hat sich die Situation stabilisiert: Die Schäden der Flut sind beseitigt, die pandemiebedingten Einschränkungen aufgehoben. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Ich freue mich ganz einfach auf dauerhafte „Normalität“, auf eingespielte Arbeitsabläufe, auf Routine, die sich hoffentlich bald einstellt. Zwei Krisenjahre liegen hinter uns und wir schauen optimistisch in die Zukunft, freuen uns auf mehr Planungssicherheit, einigermaßen geregelte Prozesse und mehr Freiraum für neue kreative Konzepte. Im Oktober begehen wir die offizielle Wiedereröffnung im Rahmen eines „Tags der offenen Tür“. Bedingt durch die zwei Lockdowns und der Flutkatastrohe im letzten Jahr, konnten wir das Haus bisher nicht offiziell einweihen. Das möchten wir im Oktober nachholen. Da gibt es viel zu bedenken, vorzubereiten und zu planen. Als Team freuen wir uns auf den „Feiertag“ mit vielen geladenen Gästen und Besuchern.

Gibt es ein besonders oder herausragendes Erlebnis, das Ihnen aus Ihrem Jugendherbergsalltag der vergangenen Jahre in Erinnerung geblieben ist?

2015, in meinem ersten Ausbildungsjahr, wurde die Jugendherberge Hellenthal vorübergehend komplett als Erstunterkunft für Geflüchtete bereitgestellt. Als die ersten Geflüchteten ankamen, änderte sich mein Arbeitsalltag komplett. Sechs Monate lang haben wir die Menschen aus den verschiedenen Kulturen und Sprachräumen betreut, ihnen Orientierung gegeben, sie verpflegt und versorgt. In der Zeit habe ich viele wertvolle Erfahrungen gemacht. Ich habe individuelle Schicksale hautnah erlebt und einen ganz persönlichen Einblick in die unterschiedlichen Biografien der Geflüchteten bekommen. Oft haben wir abends zusammen gesessen und über die Beweggründe der Flucht, über Ängste, Wünsche und Hoffnungen gesprochen. Die Erlebnisse im Umgang mit den Menschen in Not haben mich tief geprägt, bis heute. Damals habe ich gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Das hilft mir heute noch. Und ich bin froh, dass ich ein wenig helfen konnte.

Ein Ausblick: In welchen Aufgabenfeldern möchten Sie sich weiter qualifizieren? Gibt es Herausforderungen, denen Sie sich stellen möchten?

Wenn hier alles etwas zur Ruhe bekommen ist, möchte ich gerne den Ausbildereignungsschein machen. Im Anschluss möchte ich mich weiterbilden in einem Managementkolleg, das vom DJH-Hauptverband angeboten wird. Hier kann ich mich verbandsintern fortbilden und offiziell zur Assistenz der Herbergsleitung aufsteigen. Der Abschluss ist auch die Voraussetzung, um einmal selbst eine Jugendherberge zu leiten. Aktuell steht ein Wechsel aber nicht auf meinem Plan. Nach den turbulenten Krisenjahren kann ich sagen, dass ich in der Jugendherberge Gemünd Vogelsang „angekommen“ bin. Hier fühle ich mich wohl und freue mich auf geregelte Arbeitsalltage. Das Haus bietet so viele Möglichkeiten. Für den Tagungssektor sehe ich z. B noch reichlich Ausbaupotenzial. Ich freue mich auf die vielen Gestaltungsräume, die ich noch ausfüllen kann. Als ich nach meiner Ausbildung an der Rezeption in Blankenheim angefangen habe, habe ich mir das alles so nicht vorstellen können.