Jugendherberge Bonn
Interview mit Daniel Hecker, Küchenleitung25. Juli 2022
Daniel Hecker arbeitet als Küchenleitung in der Jugendherberge Bonn. Nach seiner Ausbildung zum Koch im Maritim Königswinter hat der 35-Jährige in verschiedenen exklusiven Hotelketten wie dem Hilton, Ameron und Kameha gearbeitet. Im Jahr 2016 wechselte er als stellvertretende Küchenleitung in die Jugendherberge Bonn. Im Jahr 2018 hat er schließlich die Leitung der Küche übernommen.
Sie haben Ihre Ausbildung in der Hotellerie gemacht, waren dann in sehr exklusiven Häusern als Demi Chef de Cuisine oder als Chef de Partie beschäftigt. Warum sind Sie diesen Weg nicht weitergegangen?
Die großen internationalen Hotels haben manchmal bis zu fünf Outlets, also Inhouse-Restaurants, in denen rund um die Uhr Getränke und Gerichte angeboten werden. Für uns Mitarbeitende bedeutete das, dass wir in Schichten und auch mal nachts arbeiten müssen. Da ist es schwierig, Berufliches und Privates in Einklang zu bringen. Ich wünschte mir geregelte Arbeitszeiten und Planungssicherheit. Beides habe ich in der Jugendherberge Bonn gefunden, zudem ist die Arbeit hier bodenständiger, weg von der exklusiven Speisekarte hin zu gesunder, regionaler Bio-Kost. Das liegt mir. Ich versuche in diese Richtung neue Wege zu gehen und Nachhaltigkeitskonzepte umzusetzen.Die Verpflegung der JH Bonn ist heute schon zu 70% biozertifiziert. Daniel Hecker arbeitet daran, in „seiner“ Küche bald ausschließlich Bioprodukte zu verarbeiten.
Wie unterscheidet sich die Hotelküche von der Jugendherbergsküche?
Die Abläufe und das Arbeitsvolumen sind sicher ähnlich komplex und anspruchsvoll. Einen großen Unterscheid kann ich kaum erkennen. Auf jeden Fall ist in der Jugendherberge mehr Flexibilität gefragt. Das bedeutet aber auch mehr Freiraum und Abwechslung in den Arbeitsabläufen. Insgesamt kann ich sagen, dass die Arbeitssituation und das Klima entspannter sind. Das liegt auch an unseren Gästen: Die Kinder und Familien freuen sich über die Vielfalt, das leckere und gute Essen. Teilweise gelingt es uns durchaus, sie mit Qualität zu überraschen. Wir wissen ja: Das alte Klischee von Hagebuttentee und Hühnerfrikassee hält sich erstaunlich lange.Wie viele Mitarbeiter umfasst Ihr Team und für welche Aufgaben sind Sie mit Ihrem Team in der Jugendherberge verantwortlich?
Mein Team umfasst aktuell drei mitarbeitende Köche, zusammen sind wir verantwortlich für die gesamte Verpflegung unserer Gäste. Das können auch schon mal mehr als 200 Personen sein. Einmal im Jahr haben wir z.B. die Gruppe SPUN (Schüler-Planspiel United Nations) für eine Woche zu Gast, die mit 200 Personen das ganze Haus anmietet. Dann sind alle Zimmer, alle Tagungsräume belegt und wir haben alle Hände voll damit zu tun, uns auf die Wünsche und den Bedarf der Gruppe in Sachen Speiseplan, Essenszeiten und Pausenverpflegung einzustellen. Derartige Events sind aber eher die Ausnahme. Normalerweise geht es morgens mit dem Frühstück los. Dann werden Lunchpakete vorbereitet für die Gruppen, die mittags unterwegs sind, gleichzeitig erfolgen die Vorbereitungen für das Mittagessen und das Tagungscatering inkl. Kaffeepausen. Dann wird das Abendbuffet vorbereitet und manchmal klingt der Arbeitstag mit der Zubereitung eines Stockbrotteigs oder der Bereitstellung von Grillzutaten aus. Das kommt immer darauf an, welche Gruppen im Haus sind und was sie als Verpflegung gebucht haben. Aber zurück zu unserem Team: Das Küchenteam ist nach Corona noch nicht komplett, es fehlen uns noch vier Spülkräfte in Vollzeit. Aktuell sind wir auf der Suche nach geeigneten Kolleginnen und Kollegen, die unser Küchenteam unterstützen möchten.Wie sieht Ihr ganz „normaler“ Arbeitstag als Küchenleiter in der Jugendherberge Bonn aus?
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel um 10 Uhr morgens. Dann gehe ich in Absprache mit der Herbergsleitung die Speisepläne der kommenden zwei Tage durch: Welche Gruppen sind im Haus, welche kurzfristigen Wünsche, Änderungen gibt es? Anschließend machen wir eine Teambesprechung, verteilen die anstehenden Arbeiten für den Tag, wenn möglich treffen wir auch schon Vorbereitungen für den Folgetag. Dann geht’s an die Arbeit. Wichtig ist es, zwischendurch immer auch eine Warenkontrolle der kommenden ein bis zwei Wochen zu machen: Welche Waren sind ausreichend vorhanden, welche Produkte müssen bestellt werden, damit die Lager ausreichend gefüllt sind? Mein Arbeitstag endet dann in der Regel zwischen 18 und 19 Uhr.In der JH Bonn sind viele Schulklassen zu Gast. Gibt es Lieblingsspeisen, die bei Schülerinnen und Schüler immer gut ankommen?
Spaghetti Bolognese steht vor allem bei den Kleineren ganz hoch im Kurs. Pasta geht eigentlich immer. Aber auch asiatische Wok-Gerichte, Putenfilet und Möhrensalat. Vom Schokoladenpudding machen wir direkt mehr, denn auch er ist ein echter Hit unter Grundschülern. Die älteren Schüler machen sich dagegen schon früh Gedanken um die richtige Ernährung, wissen um Ernährungstrends, achten auf eine gesunde und bewusste Ernährung. Auch fett- und kohlenhydratreduzierte oder vegetarische bzw. vegane Kost sind ein Thema. Darauf müssen wir uns in der Küche einstellen. Das Schüleraustauschprogramm, das letztens hier gemeinsam ein Wochenende verbracht hat, hat z.B. für alle Teilnehmenden direkt im Vorfeld nur vegetarische Verpflegung gebucht.Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf? An Ihrem Aufgabenbereich?
Ich setze eigene Akzente mit dem Qualitätsanspruch schon bald in „meiner“ Küche zu 100 % Bioprodukte zu verarbeiten. Daran arbeite ich. Neben meinem Job bilde ich mich weiter und besuche Messen, wie z.B. die biofach, die weltweit größte Messe für ökologische Konsumgüter. Dort informiere ich mich über neue Produkte und Anbieter, treffe mich mit meinen Lieferanten. Als ich in der Jugendherberge Bonn angefangen habe, haben wir nur Kaffee und Eier mit dem Bio-Label angeboten. Heute sind wir zu 70 Prozent biozertifiziert. Zusammen mit der Gesellschaft für Ressourcenschutz (GfRS) arbeite ich daran, in ein oder zwei Jahren als erstes Haus im DJH-Landesverband Rheinland komplett auf Bio-Lebensmittel umzustellen.Sich neben dem regulären Arbeitsalltag für eine Neuausrichtung einzusetzen erfordert viel Zeit, Wissen und einen hohen persönlichen Einsatz. Was hat Sie dazu bewegt?
Eine gesunde Ernährung sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ebenso befürworte ich, dass Lebensmittel regional angebaut und ohne den Einsatz von Pestiziden erzeugt werden. Deshalb arbeiten wir in Bonn sukzessive an der Verpflegungs-umstellung auf Bioprodukte. Ich bin froh, dass wir da schon so weit sind. Zurück zu Ihrer Frage: Den ausschlaggebenden Impuls gab seinerzeit der Besuch der Fußballnationalmannschaft im Kameha Hotel in Bonn. Die Mannschaft hatte ihren eigenen Koch, Herrn Holger Stromberg, mitgebracht, der nicht nur Wert auf Qualität gelegt, sondern zudem ausschließlich Bioprodukte verarbeitet hat. Der Qualitätsanspruch in Kombi mit Bio hat mir damals schon imponiert und als ich in die Jugendherberge Bonn kam, stellte sich mir die Frage: Warum sollte der Anspruch nicht auch in einer Jugendherberge umsetzbar sein? Im letzten Jahr war es dann soweit: die Jugendherberge Bonn wurde erfolgreich von der Gesellschaft für Ressourcenschutz (GfRS) biozertifiziert. Produkte wie Obst, Gemüse, Milch, Joghurt, Tee und Cerealien sind bei uns ausschließlich bio. Diese Palette ist mit der GfRS so vereinbart, daran müssen wir uns halten. Bald werden wir auch Butter, Öl, Essig und Wurst auf bio umstellen und kommen unserem Ziel einer hundertprozentigen Biokost immer näher. In der Tagungsverpflegung ist heute schon alles, was auf den Tisch kommt bio. Bei Bedarf auch die laktosefreie Milch und das glutenfreie Brot. Auf dem Weg dahin hat mich a´verdis, ein Beratungsunternehmen für nachhaltige Verpflegungslösungen, begleitet, gecoacht und unterstützt.Die Jugendherberge Bonn ist eine Tagungs-Jugendherberge. Wie verändert der Nachhaltigkeitstrend die Veranstaltungsbranche?
Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit ist nicht nur in der Verpflegung ein ernstzunehmender Trend und für uns nicht neu. Die Jugendherberge Bonn ist z. B. schon seit Jahren „Partner of Sustainable Bonn“ und macht sich damit für einen Konferenzstandort der Nachhaltigkeit stark. Wir stellen vermehrt fest, dass bei Gruppen stärker als bisher ein geringer CO2-Fussabdruck buchungsentscheidend ist. Da sind wir als biozertifiziertes Haus konventionellen Anbietern gegenüber klar im Vorteil. Aber das kann natürlich weiter ausgebaut werden, beim Einsatz der Reinigungsmittel, der Verwendung von Duschgels, und vielem mehr.
Müssen Sie sich zunehmend auf unterschiedliche Essgewohnheiten einstellen? Allergiker, Vegetarier, Veganer? Halal, Koscher?
Lassen Sie mich kurz auf meine Essensliste für heute schauen: Es werden 112 Gäste bewirtet, davon haben 14 eine Unverträglichkeit, 37 Personen haben religiöse Essgewohnheiten und 35 essen vegetarisch. Das ist ein repräsentativer Durchschnitt, auf den wir uns im Alltag einstellen. Besonders bei Kindern haben die Allergien zugenommen, bis hin zu Kindern, die gleich an mehreren Allergien leiden. Da führen wir im Vorfeld mit den Eltern Gespräche und stellen uns ganz individuell auf die Unverträglichkeiten Einzelner ein. Das ist aber im Moment noch die Ausnahme.
Nehmen auch regionale Produkte Einzug in Ihre Küche?
Natürlich kaufe ich am liebsten regional ein. Ein großer Partner von uns ist ein Demeterbetrieb in der Nähe. In Bornheim kaufen wir Gemüse und Obst und aus Nümbrecht kommen die Eier. Tomaten und Gurken kommen auch schon mal aus Holland. Aktuell ist es einfach, alles frisch und regional zu bekommen, im Winter sieht das anders aus. Wir bemühen uns, stärker saisonal zu denken und das anzubieten, was gerade verfügbar ist. Immer können wir das nicht gewährleisten. Obstkörbe im Winter müssen dann mit Produkten aus Argentinien oder Indien bestückt werden. Schließlich muss es bio sein. Das nehmen nicht alle Gäste ruhigen Gewissens hin: Ich habe schon erlebt, dass eine Gruppe nur Obst ohne Flugware bestellt hat. Daran merkt man, dass der Gast heute viel achtsamer und um Nachhaltigkeit bemüht ist. Das ist gewiss ein Trend, den wir feststellen.
Man hört immer, dass Bioprodukte zwangsläufig die Kosten für die Verpflegung in die Höhe treiben. Wie machen Sie das?
Ich muss ganz genau kalkulieren und planen: Preise vergleichen, die Produzenten eng an uns binden und möglichst große Gebinde abnehmen – einmal, um Verpackung zu vermeiden, aber auch um den Preis zu drosseln. Es ist nicht immer zwangsläufig so, dass Bioprodukte teurer sind. Bisher bin ich mit meinem Budget zurecht gekommen.
Sie sind Teil eines großen Netzwerkes, innerhalb des Rheinlands mit 33 Jugendherbergen und bundesweit mit 400 Jugendherbergen.
Bundesweit gibt es 107 Jugendherbergen mit Biozertifizierung, davon drei im Rheinland. Neben der Jugendherberge Bonn sind das auch die Jugendherbergen Lindlar und Mönchengladbach. Mit den Kollegen dort stehe ich im engen Kontakt. Wir tauschen uns aus, empfehlen uns gegenseitig Lieferanten oder Produzenten. Da ziehen wir an einem Strang. Auch im Rahmen des Projekts „Mehrwertkonsum“, initiiert von der Verbraucherzentrale NRW, arbeiten sechs rheinische Jugendherbergen seit einigen Jahren erfolgreich daran, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. In dem Projekt geht es um mehr Klimaschutz und Ressourcenschonung. Seitdem wir an Infoveranstaltungen und Weiterbildungen teilgenommen haben, monitoren wir unsere Abfälle, mit erstaunlichen Einsparergebnissen. Wir können in der Jugendherbergen Bonn z.B. unseren Nassmüll um eine Mülltonne pro Woche reduzieren. Aber auch darüber hinaus verstehen wir uns als Netzwerk und Gemeinschaft: Vor kurzem ist mir eine Schneidemaschine kaputtgegangen. Die Lieferzeit beträgt viele Wochen. Da frage ich bei den Kollegen, ob sie mir aushelfen können. Das hat bisher immer gut geklappt.
Ein Ausblick: In welchen Aufgabenfeldern möchten Sie sich weiter qualifizieren? Gibt es Herausforderungen, denen Sie sich stellen möchten? Wo sehen Sie sich in den nächsten Jahren?
In ein oder zwei Jahren sind wir hoffentlich komplett biozertifiziert und im nächsten Schritt bioland- oder demeterzertifiziert. Diese Zertifizierungen sind noch etwas anspruchsvoller als die „normale“ Biozertifizierung. Demeter- und Bioland-Zertifizierungen garantieren mehr Tierwohl mit nachhaltigerem Futter. Beide Siegel verbieten den Einsatz von Gentechnik, erlauben weniger Zusatzstoffe und bieten Tieren mehr Freiraum als das herkömmliche Bio-Siegel. Da wollen wir hin. Und ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Gäste begeistert sein werden.